Kapitalanlagen lohnen sich, wenn die zu erwartende Rendite hoch, das einhergehende Risiko gering und der innere Schweinehund im Zaum gehalten werden kann. Inwieweit diese Bedingungen erfüllt sind, hängt immer auch vom Zeithorizont ab.
Immobilien zähmen den inneren Schweinehund
Die Möglichkeiten, angespartes Geld zu verwenden, sind vielfältig. Immobilien sind nicht liquide. Man immunisiert sich deswegen gleichsam gegen die Versuchungen eines hedonistischen Konsumlebens und versichert sich so (implizit) gegen die eigene Sprunghaftigkeit und die Neigung zu Spontanentscheidungen. Reine Renditevergleiche vernachlässigen diese Bedeutung langfristiger, kontinuierlicher Sparprozesse und die Bedeutungen von Weichenstellungen, durch die Verhalten geprägt oder sogar erzwungen wird.
Insbesondere der Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum bedeutet den freiwilligen Einstieg in Zwangssparprozesse, die im Ergebnis die eigene Ungeduld oder sogar Unvernunft und Launenhaftigkeit bremsen. In diesem Sinne sind Immobilien – wie auch immer sie in Renditevergleichen wegkommen – wahrscheinlich höchst rational und lohnend, zumindest für „eingeschränkt Rationale“. Das schiere Sparvolumen infolge der Kredittilgung sowie die geringe Fungibilität verbessern die Altersvorsorge – auch wenn die rein finanzmathematische Rendite im Einzelfall nur klein sein mag.
Die aktuellen Renditen sind niedrig – aber zurecht
Die Zähmung des inneren Schweinehundes durch Immobilienanlagen gilt generell. Höhe und Risiko der Renditen schwanken jedoch im Zeitablauf. Ob Selbstnutzer oder Vermieter, die Rendite ergibt sich aus der Höhe der (ersparten) Miete – in Rela- tion zum Kaufpreis. In der Konkurrenz um das knappe Angebot und angesichts mangelnder Anlagealternativen im Niedrigzinsumfeld haben jedoch potentielle Käufer zuletzt die Preise nach oben getrieben.
Eine klassische Preisblase kann dennoch nicht attestiert werden: Es gibt kein Über- angebot, denn im Bestand will keiner verkaufen und Neubau ist wegen Bauland- mangel kaum möglich. Und das Kreditvolumen ist gemessen am BIP nicht aufge- bläht. Die Renditen sind niedrig, aber durch die Minizinsen gerechtfertigt. Außer- dem versprechen alternative Anlagen noch weniger. Die hohen Preise sind also ge- rechtfertigt, der Markt im Gleichgewicht. Aber ist das Gleichgewicht stabil?
Das aktuelle Risiko ist hoch – aber kalkulierbar
Im Juli ist es warm, eine Heizung nicht erforderlich. Dennoch werden auch im Sommer bezugsreife Wohnungen mit Heizkörpern ausgestattet. Denn jeder weiß, im Winter wird es wieder kalt. Dasselbe gilt für die Zinsen: Jeder weiß, dass sie wieder steigen. Unsicher ist nur wann, wie schnell und wie hoch.
Der Kaufpreis ist nichts anderes als die abgezinste Summe der künftig erzielbaren Mieten. Bei Zinsen nahe null steigt dieser Barwert ins Unermessliche und rechtfer- tigt hohe Preise. Und genau hier, im Rückschlagpotential, liegt das Risiko: Bei einer Zinswende werden die Kaufpreise sinken, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
![]() |
![]() |
Abbildung: „Un-/echte“ Schwarmstädte und regionales Rückschlagpotential
Schwarmstadt: Kohortenwachstumsrate > 150, d.h. aus ursprünglich 100 Einwohnern einer Generation werden durch Zuwanderung mindestens 150; „echte“ („unechte“) Schwarmstädte: rot (bräunlich) markierte Städte, die durch Zuwanderung aus >70% (max. 70%) aller Kreise profitieren.
Rückschlagpotential: Relative Preiskluft zwischen ETW und Mieten (alle Baujahre)
Quelle: empirica-Regionaldatenbank
Im Alltag kommen dann stets noch Überlagerungen hinzu. In der jüngeren Vergangenheit wurde der zinsbedingte Preisanstieg überlagert durch eine Zusatznachfrage infolge der Landflucht in die Städte. Dieser Nachfrageschock hat die Mieten gepuscht und dadurch zusätzlich die Kaufpreise getrieben.
Genauso lauern auch künftig überlagernde Effekte. Sofern die Landflucht weitergeht und Flüchtlinge nicht zurückkehren, mildert dies den kommenden Sinkflug der Kaufpreise. Das ist am ehesten in „echten“ Schwarmstädten der Fall, die überregional aus einer Vielzahl an Regionen und nicht nur aus einigen wenigen Umlandkrei- sen Zuwanderer gewinnen. Dagegen kann eine aufkommende Neubauwelle den Sinkflug noch zusätzlich befördern. Das gilt erst recht, wenn die falschen Objekte am falschen Ort gebaut werden (vgl. empirica paper 219).
Fazit: Flexibel sein und nicht auf Kante nähen
Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Im Gegenteil sind Immobilien wie Anleger ausgesprochen heterogen. Dabei unterscheiden sich Kapitalanleger und Selbstnutzer in zweifacher Hinsicht: Die Mehrheit der Selbstnutzer hält die Immobilie über Jahrzehnte, kauft aber immer nur „zuhause“. Kapitalanleger dagegen sind – zumal auf „heißen“ Märkten – eher auf schnellere Wertsteigerungen oder zumindest kürzere Haltefristen aus. Auf der anderen Seit sind sie flexibler in der Standortwahl. Klar ist auf jeden Fall: Wer Immobilien länger hält, kann Schwankungen leichter aussitzen. Wer dagegen seine Anlagemöglichkeiten auf eine Region fixiert, erhöht das demo- graphische Preisrisiko.
Es gibt also keine allgemeingültige, sondern nur eine tautologische Antwort: Eine Immobilie als Kapitalanlage lohnt immer dann (noch), wenn das richtige Objekt am richtigen Ort gekauft und die Haltedauer lang oder zumindest flexibel ist. Gleichwohl zählt für junge Familien eben nicht allein die Rendite. Wer mit dem „Zwangsspar- prozess“ den inneren Schweinehund zügeln will, ein familienfreundliches Zuhause schätzt und die Finanzierung nicht „auf Kante“ näht, der soll kaufen, bevor die Kinder zu alt sind. Man lebt schließlich nur einmal.

Dr. Reiner Braun ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der empirica AG Forschung und Beratung (Berlin). Im Jahr 2003 wurde er in den Vorstand der empirica AG berufen, seit 2015 hat er dort den stellvertretenden Vorsitz inne. Die Arbeitsschwerpunkte seiner Tätigkeit liegen im Bereich Wohnungsmärkte, Einkommens- und Vermögensanalysen sowie Altersvorsorge. Seit über 10 Jahren ist der Volkswirt Mitglied im Verbandsrat des deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. und seit 2010 Mitglied im Arbeitskreis Bau- und Wohnungsprognostik.