„Mein Unternehmen soll schlagkräftiger werden.“ Dies ist ein häufig geäußerter Wunsch von Unternehmern, Geschäftsführern und Selbständigen. Ob man es nun Schlagkraft, Unternehmensstärke oder Innovationsfähigkeit nennt. All dies sind typische Sammelbegriffe. Alle wissen, was damit gemeint ist, bis sie den Begriff erklären sollen. Wenn ich nachhake, dann werden schon etwas konkretere Vorstellungen genannt, wie zum Beispiel „mehr Umsatz“, „mehr Ertrag“ oder eine „höhere Umsatzrentabilität“. Dies sind sicher wichtige Faktoren. Sie sind aber nicht die eigentliche Stärke von Unternehmen, sondern das Ergebnis von Stärke. In den letzten Jahren konnte ich durch meine Studien mit der Hochschule Wismar und in zahlreichen Beratungsprojekten fünf wichtige Faktoren identifizieren, die ein schlagkräftiges Unternehmen ausmachen.
Gute Unternehmen sind wie ein Formel-1-Rennwagen. Egal, ob es sich um ein Ein-Mann-Unternehmen oder eine Firma mit hundert Mitarbeitern oder mehr handelt. Die verschiedensten Komponenten werden zusammengesetzt, um den bestmöglichen Boliden auf die Straße zu bringen. Er soll fortan jedes Rennen gewinnen.
Tatsächlich ist ein solcher Rennwagen aber nie wirklich fertig. Die einzelnen Teile können noch so gut sein, ihr Zusammenspiel sollte ständig optimiert werden. Je nach Rennen, müssen sogar einzelne Teile angepasst werden. Selbst wenn man eine Strategie für ein Rennen hat, kann es sein, dass äußere Umstände oder der Wettbewerb dazu führen, dass man diese über den Haufen werfen muss. Und damit kommen wir bereits zur ersten Fähigkeit, die starke Unternehmen ausmacht.
1. Starke Unternehmen vertrauen niemals ihrer eigenen Strategie:
Sicher, Unternehmer und Selbständige sollten eine Strategie haben. Wer keinen Plan hat, wird früher oder später in Schwierigkeiten geraten. Aber nur, weil wir einen Plan haben, sollten wir uns deswegen noch lange nicht in Sicherheit wiegen. Wenn Sie morgens ins Auto steigen und, sagen wir, von Stuttgart nach Berlin fahren wollen, dann werden Sie Ihr Navigationssystem einschalten.
Sie haben damit einen Plan. Aber schon nach den ersten fünfzig Kilometern kann es zur ersten Abweichung kommen. Staus und Baustellen sorgen dafür, dass Sie das Navigationssystem von der ursprünglichen Route umleitet.
Die Strategie wird automatisch angepasst, ohne dass das eigentliche Ziel aus den Augen gerät. Als Unternehmer hat man aber kein automatisches Navigationssystem, sondern muss ständig selbst nachkorrigieren. Das klingt in der Theorie noch ganz schlüssig. In der Praxis stellt uns aber oft der sogenannte „Sunk-Cost-Effekt“ ein Bein. Bei diesen „versenkten Kosten“ handelt es sich um ein sehr verbreitetes psychologisches Phänomen. Der Volksmund umschreibt es mit „Gutes Geld schlechtem hinterherwerfen.“ Und bei versenkten Kosten handelt es sich nicht nur um Geld. Es handelt sich auch um versenkte Zeit, Emotionen und Leidenschaft: „Meine Mitarbeiter und ich haben da so viel Energie und Mühe reingesteckt, da können wir doch nicht einfach abbrechen…“, sagte mir mal ein Geschäftsführer. Rational war das nicht, emotional nachvollziehbar hingegen schon. Unternehmensstärke bedeutet, dieser Vernebelung durch den Sunk-Cost-Effekt konkret entgegenzuwirken. Dies lässt sich ganz einfach mit dem nachfolgenden Kniff erreichen.
Tipp #1:
Nutzen Sie die Methode der „grünen Wiese“: Nehmen Sie sich alle drei Monate ein paar Stunden Zeit. Schließen Sie sich ungestört ein und stellen sich folgende Frage: „Wenn ich heute nochmal mit dem gleichen Unternehmen auf einer grünen Wiese beginnen würde, wie würde ich das Unternehmen konzipieren? Wie sähe das perfekte Unternehmen aus?“ Erst nachdem Sie sich diese Fragen beantwortet haben, schauen Sie sich Ihre jetzigen Unternehmungen an. Welche Unterschiede gibt es und wieso ändern Sie diese nicht? Sie werden zu überraschenden Erkenntnissen kommen. Spielend leicht schlagen Sie so dem Sunk-Cost-Effekt ein Schnippchen und machen die notwendigen regelmäßigen Kurskorrekturen. Dies gilt im Übrigen für alle Lebensbereiche.
Wer ganz konsequent sein möchte, stellt auch sein Privatleben alle paar Monate so auf den Prüfstein. Man lebt viel bewusster und korrigiert das, was einem nicht passt. Und das noch bevor Dinge einen Verlauf nehmen, den man irgendwann nicht mehr korrigieren kann.
2. Permanente Optimierung auf allen Ebenen
Damit sind wir auch schon beim nächsten Punkt, dem permanenten Hinterfragen und Optimieren der täglichen Arbeiten. Das beginnt bereits mit der Priorisierung der Aufgaben und Tätigkeiten. Wir erledigen Aufgaben, die uns Spaß machen oder wichtig wirken, ohne dass sie es wirklich sind. So sind wir zwar sehr beschäftigt, aber nicht wirklich produktiv. Starke Unternehmer unterscheiden zwischen Dringlichem und Wichtigem. Wichtig könnte zum Beispiel sein, ein Kundensegments zu gewinnen. Das muss entsprechend vorbereitet sein. Als dringend empfinden wir jedoch andere Dinge. Vielleicht das Aufwärmen alter Kundenkontakte, bei denen aber vielleicht gar kein Potenzial vorhanden ist, wenn man es nüchtern betrachten würde. So wird das eigentlich Wichtige immer wieder verschoben, bis dann doch irgendwann Panik herrscht, weil Umsatz fehlt und aus dem Wichtigen plötzlich etwas Dringliches wird. Und dann geht man leider diese Aufgaben nicht mehr durchdacht und souverän an.
Starke Unternehmen und deren Mitarbeiter sind in der Lage, zwischen dringend und wichtig recht klar zu unterscheiden. So entdecken sie auch manche Aufgaben, die dringlich sind, aber eigentlich überhaupt nicht wichtig. Erst so wird einem klar, dass man sie eigentlich sein lassen könnte. Der Fokus verschiebt sich so auch auf jene Tätigkeiten, die wichtig sind, selbst wenn sie noch nicht dringlich sind. Dadurch hat man stets einen gesunden Vorsprung vor anderen.
Tipp #2:
Beginnen sie morgens Ihren Tag mit ein bis zwei Aufgaben, die wichtig sind. Sie werden dann mit diesem wunderschönen Erfolgserlebnis in den eigentlichen Tag starten, schon wirklich etwas bewegt zu haben. Dann gehen Ihnen die darauffolgenden dringlichen (und nicht selten auch lästigen) To-Dos viel leichter von der Hand. Wenn Sie wollen, können Sie Ihren Tag auch mit einer wichtigen Aufgabe beenden. Dann geht man mit einem positiven Gefühl in den Feierabend. Natürlich können sich wichtige und dringliche Aufgaben im Laufe eines Arbeitstages ändern. Deswegen sollte man im Kleinen reflektieren. Ähnlich wie bei der grünen Wiese, empfehle ich, sich drei Mal am Tag fünf Minuten Zeit zu nehmen. Kurz durchatmen und nachdenken: Mache ich gerade wirklich das, was am sinnvollsten ist? Wie gut war ich bis jetzt? Was könnte ich besser machen? Kleine Feinjustierungen während des Tages zahlen sich immer aus.
3. Nur wer Emotionen bewusst nutzt, kann sich verändern
„Wieso sind unsere Mitarbeiter so unvernünftig?“ fragte mich mal der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens. „Wieso sollten sie vernünftig sein, war meine Antwort darauf.“ Tatsächlich bauen wir im Beruf auf die Vernunft unserer Kollegen, vergessen aber dabei, dass emotionale Gründe, also das, was wir als unvernünftig bezeichnen, unser eigentlicher Antrieb sind.
In einer Studie unter 245 Unternehmer haben wir nach den Hauptursachen für das Scheitern von zukunftsentscheidenden Veränderungsprojekten gefragt. Zwei der vier am häufigsten genannten Gründe waren, dass das Projekt einfach so versandet sei (69 Prozent) und dass es Widerstände von Kollegen gegeben habe (27%). Beide genannten Ursachen sind alles andere als vernünftig und zeigen somit zugleich, wie wichtig es ist, sich mit emotionalen Motiven auseinanderzusetzen.
Einerseits können es verdeckte Ängste sein, die uns ausbremsen. Andererseits kann Begeisterung oder die Sehnsucht nach Anerkennung uns und unsere Kollegen wiederrum zu Höchstleistungen antreiben. Statt also nur nüchtern Vor- und Nachteile zu erörtern, sollten wir die Emotionen unserer Mitarbeiter verstehen. Was ist es, das uns und unsere Kollegen vielleicht nach anfänglicher Begeisterung daran hindert dauerhaft eine Veränderung umzusetzen. Was sind die verdeckten Motivatoren, die wir konkret ansprechen müssen. Nur wenn wir diese erkennen, können wir sie auch aktiv nutzen beziehungsweise minimieren.
Tipp #3:
In Besprechungen und Vier-Augen-Gesprächen sollten Sie immer versuchen, sich in die Motivlage ihres Gegenübers hineinzuversetzen. Stellen Sie sich die folgenden drei Fragen: 1. Was wäre sein oder ihr emotionaler Anreiz etwas zu tun? 2. Worüber definiert er oder sie sein/ihr Ego? Denn schließlich suchen wir alle Anerkennung bzw. wollen diese nicht verlieren. 3. Was könnte er oder sie darüber hinaus noch fürchten zu verlieren?
4. Kontinuität und Fokussierung
Die Arbeit in einem Unternehmen ist wie Rudern – egal, ob man sich in einem Einsitzer oder in einem Mannschaftsboot befindet. Ich kenne manche Unternehmen, die haben unglaubliche Talente an Bord, quasi geborene Goldmedaillengewinner.
Jedoch rudert jeder irgendwie mal wild vor sich her, für ein paar Minuten, voller Einsatz, macht dann eine Pause, während ein anderer plötzlich am Riemen reißt, als ginge es um sein Leben. So sind am Ende alle ziemlich erschöpft, aber das Boot ist nur mittelprächtig vorangekommen. Schlimmstenfalls ist es im Kreis gefahren. Im Arbeitsalltag bedeutet dies, dass wir konzentriert und regelmäßig Leistung bringen sollten. Wenn sich Unternehmen um mehr Produktivität bemühen, dann schlage ich meist erstmal vor, die Fokussierung eines jeden Einzelnen zu steigern. Hier steckt nämlich das größte Potenzial. Es ist sinnvoller, sich einer Aufgabe 80 Minuten am Stück zu widmen, als sie bruchstückhaft über den ganzen Tag zu verteilen. Ja, ich weiß: die Kollegen, die E-Mail-Flut, die permanenten Anrufe. Aber auch in einer Zeit der permanenten Reizüberflutung kann man sich Inseln der Fokussierung schaffen. Seien wir mal ehrlich. In den allerwenigsten Fällen müssen wir auf eine E-Mail und einen Telefonanruf innerhalb von 20 Minuten reagieren. Das kommt vielleicht zwei Mal im Jahr vor. Aber dennoch richten wir unsere Arbeitsweise darauf aus, als wären solche extrem dringenden Weltuntergangs-E-Mails die Regel.
Tipp #4:
Mit der 20-5-Methode können wir unserer eigenen Psyche ein tolles Schnippchen schlagen: Schalten Sie alle Kommunikationsgeräte aus. Hängen Sie ein „Bitte nicht stören“-Schild an Ihre Bürotür oder suchen Sie sich einen Platz, an dem man Sie garantiert nicht findet. Stellen Sie sich einen Wecker auf 20 Minuten. Diese Zeit nutzen Sie nun intensiv für Ihre Aufgabe. Sie können ruhig und gelassen an die Sache herangehen. Nach Ablauf der Zeit machen Sie exakt 5 Minuten Pause. Trinken Sie einen Kaffee, schauen Sie aus dem Fenster oder sehen Sie in Ihrer Inbox nach, ob Sie womöglich etwas Weltbewegendes versäumt haben. Wichtig ist, dass Sie die 5 Minuten exakt einhalten. Sollten Sie beispielsweise eine E-Mail erhalten haben, die sich nicht so schnell beantworten lässt, dann schicken Sie eine kurze Info, dass Sie sich etwa in einer Stunde melden. Damit haben Sie Ihr Gewissen beruhigt und können sich weiter um Ihre eigentliche Arbeit kümmern. Denn nun geht es schon in die nächsten 20 Minuten ungestörten Arbeitens. Danach machen Sie wieder 5 Minuten Pause, um dann erneut 20 Minuten zu arbeiten. Dann 5 Minuten Pause und zum Schluss einen Endspurt mit weiteren 20 Minuten fokussierter Arbeit an Ihrer Idee. So einfach geht das! Auf diese Weise sind Sie 80 Minuten in höchstem Maße fokussiert und werden höchstwahrscheinlich mehr weggearbeitet haben als manchmal an mehreren Tagen.
5. Umsetzen
Selbstverständlich gibt es noch zahlreiche weitere Punkte, wenn es um die Unternehmensstärke geht. Mit den vier Punkten, die ich Ihnen bisher genannt habe, werden Sie aber schon eine Menge bewegen können. Dies setzt jedoch voraus, dass Sie auch den letzten Punkt in Angriff nehmen: das Umsetzen. Unternehmensstärke bedeutet nämlich auch immer Umsetzungsstärke. Ein Hinweis: Was wir binnen 48 Stunden nicht in Angriff nehmen, versandet meist. Lassen Sie gar nicht erst 48 Stunden vergehen, sondern legen Sie jetzt sofort los. Setzen Sie jeden Tipp in die Tat um und halten Sie vier Wochen durch. Sie werden erstaunt sein, wie Ihre Produktivität und Schlagkraft nach oben geschnellt sein wird. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg und ein starkes Unternehmen!
Kishor Sridhar ist seit 2011 geschäftsführender Gesellschafter der Verum Unternehmensentwicklungs GmbH. Zudem ist er als Managementberater und Keynote Speaker international tätig. Er hält zwei Lehraufträge an der Hochschule Wismar sowie der International School of Management in München. Nach vielen Jahren in der Unternehmensberatung und bei internationalen Markt- und Meinungsforschungsinstituten, weiß der Ingenieur und Verhaltenspsychologe, wie Menschen in unterschiedlichsten Situationen ticken und entscheiden – in Verkaufsgesprächen ebenso wie in digitalen Transformationsprozessen.