Gute Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil eines guten Lebens. Deshalb sollten wir uns schleunigst daran machen, die Arbeit zum Guten zu revolutionieren.
Die Arbeit macht uns krank, sie frisst uns auf, sie zerstört unser Leben. So lautet der Alarmruf unser Tage. Auf den Titelbildern von Zeitschriften sieht man Menschen mit grauen Gesichtern, die in Businesskleidung auf dem Boden kauern. »Ausgebrannt«, »Total erschöpft«, »Raus aus der Stressfalle« – sind die typischen Schlagzeilen zur Seelenlage der deutschen Arbeitnehmer.
Zwei Drittel der Deutschen sind unzufrieden im Job, heißt es in aktuellen Umfragen. Die Krankheitstage wegen »Burn-Out« und anderer seelischen Störungen nehmen dramatisch zu. Psychologen und Soziologen warnen vor den psychosozialen Auswirkungen eines entfesselten Kapitalismus, der uns alle ins tägliche Hamsterrad zwingt.
Unsere Sicht der Arbeit ist paradox. Einerseits halten wir sie für eine lästige Notwendigkeit, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen, und oft erscheint sie uns sogar als Zumutung, die uns am wahren Leben hindert. Andererseits identifizieren wir uns mit unserer Arbeit, wir ziehen aus ihr Befriedigung und Sinn – und wir brauchen sie für unser psychisches Wohlbefinden. Sicher kann Arbeit unglücklich machen. Aber am unglücklichsten sind oft jene, die gar keine Arbeit haben.
Arbeit formt unsere Identität, sie vermittelt Selbstachtung und Anerkennung. Zugleich verbindet sie die Menschen und hält die Gesellschaft zusammen. Das drängendste Problem Europas ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit, weil sie Millionen Menschen die Chance auf ein gutes Leben nimmt. Aus all diesen Gründen müssen wir die Frage, was »gute Arbeit« bedeutet, ins Zentrum der gesellschaftlichen Debatte rücken. Aber was ist »gute« Arbeit? Und wie können wir sie schaffen?
Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir zuerst klären, was überhaupt »Arbeit« ist. Und das ist nicht einfach. An Begriffsdefinitionen herrscht zwar kein Mangel, doch keine davon ist wirklich befriedigend. Arbeit kann viele Formen annehmen, die kaum Gemeinsamkeiten haben. Im Prinzip kann jede Tätigkeit in einem bestimmten Kontext »Arbeit« sein. Niemand würde auf die Idee kommen, einen Pokerabend unter Freunden als Arbeit zu betrachten. Doch es gibt es auch professionelle Pokerspieler, die durchaus arbeiten, obwohl sie eigentlich nur spielen.
Die Tätigkeit ist zunächst nur eine Tätigkeit. Zur Arbeit wird sie erst durch bestimmte Praktiken – wie Dienstverträge, Arbeitszeitregelungen, Zielvorgaben und so weiter. Arbeit hat »deontische« Macht: Sie schafft wunschunabhängige Gründe, also Verpflichtungen und Verbindlichkeiten. Natürlich ist Erwerbsarbeit nicht der einzige Lebensbereich, der mit solchen Verbindlichkeiten verbunden ist. Dazu gehören auch Erziehung, Ausbildung oder die Pflege von Angehörigen. Der Unterschied zur Erwerbsarbeit liegt nicht im Charakter dieser Tätigkeiten, sondern darin, dass sie außerhalb des Marktes stattfinden. So gesehen »arbeiten« wir alle über weite Teile unseres Lebens.
Seit Jahrhunderten streiten die Philosophen darüber, wie Arbeit in normativer Hinsicht eigentlich zu verstehen ist. Aus der einen Sicht, die auf Aristoteles zurückgeht, hat Arbeit »instrumentellen« Charakter. Sie ist nur ein Mittel zum Zweck. Wir arbeiten, um unsere Existenz zu sichern. Diese Zweck-Mittel-Logik »verdinglicht« uns, sie steht unseren moralischen und ethischen Bedürfnissen entgegen. Aus der anderen Sicht, die vor allem Hegel und Marx vertraten, hat Arbeit eine »expressive« Dimension. Sie drückt etwas aus, hat einen inneren Wert, in ihr verwirklichen wir uns selbst. Wir sind, was wir tun.
Doch sowohl die »instrumentelle« als auch die »expressive« Sicht ist unzureichend. Sicher arbeiten wir, um Geld zu verdienen. Aber Arbeit ist unendlich viel reichhaltiger und komplexer. Das instrumentale Modell kann nicht befriedigend erklären, warum Menschen Freude an der Arbeit haben – oder warum Arbeit für unsere persönliche Identität so wichtig ist. Wäre Arbeit nur Mittel zum Zweck, gäbe es auch keinen Grund zu arbeiten, wenn man nicht müsste. Umgekehrt vernachlässigt die »expressive« Sicht, dass Arbeit auch einen instrumentellen Charakter hat. Sie dient eben auch dazu, Geld zu verdienen und Güter zu erzeugen.
Gute Arbeit, so lautet meine These, trägt wesentlich bei zu einem guten Leben. Doch diese Behauptung bedarf einer Begründung. Bei der Frage nach dem »guten Leben« denken manche vielleicht an Wohlstand und Erfolg, andere eher an Familie und Freundschaft. Aber die meisten sind sich wohl einig, dass es irgendetwas gibt, für das es sich zu leben lohnt. Und dass es sich auszahlt, dafür Anstrengungen auf sich zu nehmen.
Machen wir ein Gedankenexperiment. Stellen wir uns eine Welt ohne Arbeit vor. Irgendein Gott würde für allgemeinen Wohlstand sorgen. Selbst iPhones würde es vom Himmel regnen. Warum sollten wir in einer solchen Welt, überhaupt einer Tätigkeit nachzugehen? Welche Gründe hätten wir dazu?
Nehmen wir eine extreme Form, die Zeit zu verbringen. Man könnte einfach gar nichts tun. Zwar kann niemand beweisen, dass es »schlecht« ist, überhaupt nichts zu tun. Aber es gibt ein gutes Argument: Wer gar nichts tut, verpasst die Chance, seine Fähigkeiten zur Geltung zu bringen. Der amerikanische Rechts- und Moralphilosoph Ronald Dworkin (1931–2013) glaubte, dass wir eine ethische Verantwortung haben, etwas aus unserem Leben zu machen – ähnlich wie ein Maler, der vor der Aufgabe steht, aus seiner leeren Leinwand etwas Wertvolles zu erschaffen. Nach Dworkin schulden wir das unserer Selbstachtung. Aus dieser Sicht müssen Menschen ihr Leben ernst nehmen und als Herausforderung begreifen.
Wir können uns dabei an einem Prinzip von Aristoteles orientieren. Nach Aristoteles sind Menschen dann am glücklichsten, wenn sie ihre Fähigkeiten entfalten können. Nennen wir das den »aristotelischen Grundsatz«. Mit anderen Worten: Wir wollen unser Können einsetzen. Was uns unterfordert, empfinden wir schnell als unbefriedigend. Ein vernünftiger Lebensplan, so meinte der amerikanische Moralphilosoph John Rawls (1921–2002), sollte also darauf abzielen, unsere Fähigkeiten zur Geltung zu bringen. In erster Annäherung könnten wir »gute Arbeit« also so definieren: Eine Arbeit ist dann gut für eine Person, wenn sie deren Fähigkeiten zur Geltung bringt.
Ein weiteres Gedankenexperiment kann vielleicht verdeutlichen, worum es geht. Eine fiktive Person A hat den verrückten Lebensplan, die nächsten 20 Jahre seines Lebens jegliche Sinnerfüllung ausschließlich in der Arbeit zu suchen. A hat einen anspruchsvollen, erfüllenden Job und arbeitet praktisch rund um die Uhr. Die meisten würden A für einen irren Freak halten. Aber für ihn selbst ist die Welt in Ordnung: Denn er macht ja genau das, was seiner Vorstellung von einem guten Leben entspricht.
Nun betrachten wir eine Person, deren Situation genau umgekehrt ist. Person B will die nächsten 20 Jahre ebenfalls nichts anderes tun, als zu arbeiten. Allerdings hat sie einen völlig stupiden Job, mit dem sie sich überhaupt nicht identifizieren kann. Die Arbeit betrachtet sie ausschließlich als Mittel zum Geldverdienen. Auch dieser Lebensplan ist nicht von vornherein unvernünftig. Allerdings könnte der tragische Fall eintreten, dass B nach 19 Jahren, kurz vor Ablauf seines Vertrags stirbt. Zwar hat er sagenhaft viel Geld verdient. Aber leider kommt er nicht mehr dazu, es auch auszugeben. B hat verdammt viel gesät – aber seine Ernte ist gleich null. Die Lebensbilanz wäre ein einziges Desaster.
Natürlich erscheint das fiktive Leben der beiden Personen nicht sehr attraktiv sein. Niemand will 20 Jahre ausschließlich mit Arbeit zubringen. Allerdings müssen wir einräumen, dass Person A immerhin genau das Leben führt, das seiner Vorstellung von einem guten Leben entspricht. Zwar gilt das auch für Person B. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Wenn beide kurz vor Ablauf des Vertrags sterben, dann hat A ein durchaus gutes Leben gelebt. Im Fall von Person B müssten wir wohl sagen, sie habe ihre Zeit vergeudet, weil sie einen erheblichen Teil ihres Lebens mit einer Arbeit verbracht hat, mit der sie sich nicht im geringsten identifizieren konnte.
Gute Arbeit ist eine wesentliche Bedingung für Selbstachtung, weil sie uns ermöglicht, unseren Lebensplan zu realisieren – und unsere Fähigkeiten einzusetzen. Menschen ohne Arbeit klagen oft über das Gefühl, dass sie nichts mehr »wert« oder zu nichts »nutze« seien. Für John Rawls ist die »soziale Basis der Selbstachtung« sogar das wichtigste Primärgut in einer gerechten Gesellschaft. Dann ist gute Arbeit aber eine fundamentale Frage der Gerechtigkeit.
Und wenn Gerechtigkeit bedeutet, dass jeder bekommt, was ihm zusteht, hat jeder einen Anspruch auf gute Arbeit, die »Verwirklichungschancen« bietet, wie es der Philosoph und Ökonom Amartya Sen nennt – also nicht nur ein Mittel, sondern eine konkrete Chance, die eigene Vorstellung von einem guten Leben zu realisieren.
Schlechte Arbeit nimmt uns diese Chance, sie hindert uns am guten Leben, sie bedeutet kolossale Zeit- und Lebensverschwendung.
Nun stellen wir uns eine weitere fiktive Person C vor. Diese Person C lebt einfach in den Tag hinein und genießt das Leben. Allerdings ist es C wichtig, ab und zu kreativen Tätigkeiten nachzugehen. Zudem gibt es einige Dinge, die er richtig gut kann. Diese Fähigkeiten würde er gern einsetzen und weiterentwickeln. Mit anderen Worten: Er hat einen minimalen Plan, eine Vorstellung von einem guten Leben. Nun wird ihm ein entsprechender Job angeboten, der es ihm ermöglicht, seine Fähigkeiten zu entfalten, und zwar so, dass es auch anderen nutzt. Wenn er also das »aristotelische Prinzip« akzeptiert, hat er einen guten Grund, diesen Job zu machen, einfach deshalb, weil er ihm die besten Möglichkeiten bietet, seine Fähigkeiten zu entwickeln.
Gute Arbeit bringt unsere Fähigkeiten zur Geltung, so haben wir vorausgesetzt. Falls wir das aristotelische Prinzip akzeptieren, trägt sie damit auch zu einem guten Leben bei. Allerdings hat Arbeit immer auch eine soziale Dimension, wie schon Hegel gesehen hat, weil wir mit ihr zur Befriedigung der Bedürfnisse anderer beitragen.
Das Konzept »guter Arbeit« ließe sich folglich in drei Dimensionen entfalten: Erstens kann die Arbeit in einem instrumentellen Sinn gut sein, indem sie ihren jeweiligen Zweck erfüllt, etwa im Hinblick auf Effizienz und Qualität. Zweitens kann sie in einem ethischen Sinn gut sein, indem sie unsere Fähigkeiten erweitert und somit zu einem guten Leben beiträgt. Drittens aber kann Arbeit auch in dem Sinne »gut« sein, dass sie dazu beiträgt, die Bedürfnisse anderer zu befriedigen.
Alle drei Dimensionen, möchte ich behaupten, hängen zusammen und stützen sich gegenseitig. Gute Arbeit im instrumentellen Sinn hilft mir, meine Fähigkeiten zu erweitern. Und die Weiterentwicklung meiner Fähigkeiten hilft dabei, bessere Arbeit im instrumentellen Sinn zu machen, was wiederum dazu beiträgt, die Bedürfnisse anderer besser zu befriedigen.
Die Frage ist allerdings, welche konkreten Eigenschaften »gute« von »schlechter« Arbeit unterscheiden. Um diese Frage zu beantworten, sollten wir Arbeit nicht bloß als »Tätigkeit« begreifen, sondern als eine komplexe »Lebensform« – als Bündel sozialer Praktiken, zu denen Regeln, Maßstäbe, Routinen und Einstellungen gehören. Nach der Definition des schottisch-amerikanischen Moralphilosophen Alisdair MacIntyre schafft eine Praxis »innere Güter«, also solche, die nur durch die Praxis selbst verwirklicht werden können.
Wenn wir uns mit einem Job identifizieren, legen wir uns auf diese Praxis fest. Und wir werden versuchen, einen »guten« Job zu machen, der diesen Kriterien entspricht. Bei jeder Praxis geht es darum, vorhandene Fähigkeiten auf bestimmte Weise zu kultivieren. Um das MacIntyres Konzept der Praxis auf die Arbeit anzuwenden, muss man es allerdings konkretisieren und erweitern.
Gute Arbeit vermittelt nicht nur innere, sondern auch äußere Werte. Man arbeitet eben nicht nur, um sich selbst zu verwirklichen, sondern auch um Geld zu verdienen. Das macht die Arbeit allerdings nicht schlecht, solange es nicht nur ums Geld geht. Zu den inneren Werten der Arbeit gehört paradoxerweise auch, dass sie äußere Werte erzeugt, ohne von ihren instrumentellen Aspekten korrumpiert zu werden. Insofern vereint das Konzept der Praxis die »instrumentelle« und die »expressive« Sicht der Arbeit. Beide Aspekte gehören also untrennbar zusammen. Weiterhin müssen wir versuchen, die »inneren Werte« guter Arbeit konkreter zu benennen. Machen wir einen ersten Versuch.
Authentizität: Gute Arbeit ist authentisch erlebbar und schafft Bedeutungshorizonte, die es uns ermöglichen, uns mit der Arbeit zu identifizieren.
Erfahrung: Gute Arbeit vermittelt Erfahrung, indem sie Tätigkeiten und Konsequenzen verbindet. Sie schafft Probleme und Herausforderungen, die Lernprozesse in Gang setzen.
Kooperation: Gute Arbeit bringt Menschen mit anderen zusammen. Sie fördert Kooperation im weiten Sinne und stärkt die informellen Beziehungen und den sozialen Zusammenhalt.
Vertrauen: Gute Arbeit fördert eine Praxis des Vertrauens, auf die man sich verlassen kann. Sie schafft Gründe, anderen zu vertrauen.
Anerkennung: Gute Arbeit vermittelt die Anerkennung anderer. Dazu gehören die Wertschätzung der Leistung und gegenseitiger Respekt.
Flow: Gute Arbeit ermöglicht Flowerlebnisse, die in sich lohnend sind, indem sie Menschen dabei hilft, ihre Fähigkeiten zu verbessern und sich Ziele zu setzen.
Handwerk: Gute Arbeit vermittelt »Handwerk«. Dabei vermittelt sie nicht nur Können, sondern erzeugt auch den Wunsch, eine Arbeit um ihrer selbst wegen gut zu machen.
Gewohnheit: Gute Arbeit schafft Gewohnheiten und Routinen, die wiederum Vertrauen und Verlässlichkeit erzeugen.
Muße: Gute Arbeit enthält Elemente von Muße. Der Gegensatz von Muße ist nicht Arbeit, sondern schlechte Arbeit, die mit andauernder Belastung und Zwang verbunden ist.
Diese Liste innerer Güter ist nur ein Vorschlag, sie lässt sich jederzeit erweitern. Notwendig wäre es jedenfalls, eine gesellschaftliche Diskussion in Gang zu bringen, die normative Ansprüche an »gute Arbeit« zur Realität der Arbeitswelt in Beziehung setzt.
Die Bedingungen des Finanzmarktkapitalismus erschweren es sicherlich, die »inneren Güter« der Arbeit zu realisieren. Alisdair MacIntyre etwa glaubte, die Idee der Praxis könne nur in Gesellschaften gedeihen, die nicht auf äußere Werte fixiert sind. Er erläuterte das an einem Beispiel, in dem er zwei Gruppen von Anglern miteinander verglich. Während die eine Gruppe ausschließlich ihren Profit maximieren will, geht es der anderen vor allem um die »inneren Werte« des Fischens. Wie reagieren die Gruppen nun, wenn die Erträge plötzlich zurück gehen? Jene Fischer, so meint MacIntyre, denen es nur ums Geld geht, werden sich aus der Fischerei zurückziehen – und die Eigentümer des Fischereibetriebs werden ihr Geld womöglich woanders investieren. Bei der zweiten Gruppe sieht es anders aus, weil sie sehr an den inneren, nichtökonomischen Gütern hängen. Sie werden zumindest eine Zeitlang finanzielle Abstriche in Kauf nehmen, weil die »inneren Güter« sie für den Einkommensverlust kompensieren.
Die erste Anglergruppe repräsentiert natürlich ein kapitalistisches Unternehmen: Das Kapital zieht einfach weiter, wenn die Arbeit keine Erträge mehr abwirft. Allerdings unterstellt MacIntyres Beispiel, dass Profitmaximierung und »innere Güter« in einem Konflikt stehen. Tatsächlich glauben heute aber eine Reihe von Ökonomen, wie etwa Wirtschaftsnobelpreisträger George E. Akerlof und Rachel Kranton in ihrem Buch »Identity Economics«, dass die Performance eines Unternehmens wesentlich von der Identifikation der Mitarbeiter abhängt – und damit von den »inneren Gütern«, die diese durch die Arbeit realisieren können. Finanzielle Anreize hingegen haben sich inzwischen als kurzsichtig erwiesen. Wer sich mit dem Unternehmen und dessen Zielen identifiziert, braucht keine Boni, um seinen Job gut zu machen. Insofern müssten gerade profitorientierte, kapitalistische Unternehmen größtes Interesse haben, gute Arbeit zu fördern.
Und genau das ist unsere Chance: Denn gute Arbeit ist nichts, was einfach von Unternehmen »geschaffen« oder gar vom Staat »verordnet« werden kann. Sie erfordert auch das Engagement des einzelnen. Gute Arbeit im Sinne einer Praxis existiert für uns erst, wenn wir selbst sie zu unserer eigenen gemacht haben. Genau deshalb können auch Menschen in scheinbar öden Jobs Erfüllung finden, während sich andere selbst mit höchst kreativen Aufgaben nicht identifizieren können. Wer sich für einen Job entscheidet, sollte zumindest versuchen, ihn gut zu machen – sonst kann er die inneren Werte der Arbeit nämlich nicht realisieren. Und wer sich trotz aller Bemühungen mit seinem Job nicht identifizieren kann, sollte sich vielleicht einfach einen neuen suchen. Auch das gehört zu unserer Verantwortung für gute Arbeit.
Man kann den Kapitalismus kritisieren. Jedoch sollte man gleichzeitig anerkennen, dass das System auch gute, sinnstiftende Arbeit schafft. Umgekehrt kann man miserable Arbeitsbedingungen angreifen, ohne den Kapitalismus grundsätzlich in Frage zu stellen. Wer den Kapitalismus zum Guten verändern will, muss zuallererst die Arbeit verändern. Zu glauben, es gehe umgekehrt, ist einer der Denkfehler der Kapitalismuskritik. Die Revolution beginnt nicht an den Finanzmärkten, sondern am Arbeitsplatz – und bei jedem selbst.
MARGINALIEN
Bedingungsloses Grundeinkommen
Unter einem »bedingungslosen Grundeinkommen« (BGE) versteht man ein garantiertes Einkommens, das nicht an Erwerbsarbeit oder sonstige Bedingungen geknüpft ist. Die Befürworter argumentieren, dass ein BGE die Freiheit schaffe, unterschiedliche Lebensentwürfe zu realisieren. Allerdings verletzt es die Idee der Gerechtigkeit. Wer ein BGE bezieht und nicht arbeitet, profitiert nämlich von einem Einkommen, das andere verdienen. Der liberale Philosoph John Rawls bestand darauf, dass Bürger nicht das Recht haben, aus staatlichen Transferleistungen ihre Freizeit zu finanzieren. Die Befürworter argumentieren, dass ein BGE zu guter Arbeit beitrage, weil die Bezieher nicht mehr gezwungen seien, jeden Job zu machen. Über die motivierende Wirkung eines Grundeinkommens kann man sicher streiten. Aber wenn Arbeit für ein gelingendes Leben wichtig ist, ließe sich dagegenhalten, sollten wir nicht unbedingt einen Anreiz zum Nichtarbeiten geben.
Thomas Vašek ist Gründungschefredakteur der Philosophiezeitschrift »Hohe Luft« und Autor einer Reihe von Büchern. Er studierte Volkswirtschaft und Mathematik und arbeitete als Journalist, unter anderem war er Chefredakteur von »MIT Technology Review« und »P.M.-Magazin« sowie Ressortleiter beim österreichischen Nachrichtenmagazin »profil«.